Die Ausstellung African Mobilities geht der Frage nach, wie Architektur auf die komplexen Zusammenhänge zwischen Migration und die Fortbewegung von Menschen, Ideen, Ressourcen, Ästhetik reagiert – sowohl an konkreten Orten als auch in der Vorstellung. Auffassungen von »Heimat« beschwören traditionellerweise sowohl das Bild eines Zufluchtsorts als auch eine Quelle der Energie herauf. Doch »Heimat« kann zugleich ein Raum erheblicher Verwundbarkeit und prekärer sozialer Verhältnisse sein, der lineare Konzepte von Zeit und Raum unterbricht und Risse zwischen der »Vergangenheit« und der »Gegenwart« vermutet. African Mobilities fragt nach kreativen Eingriffen, die sich abzeichnen, sobald einer explodierten Raum-Zeit ein mehrstufiger und auf verschiedene Standorte verteilter Ansatz auferlegt wird, in dessen Rahmen ein großer Teil der Migration auf dem afrikanischen Kontinent stattfindet.
Die Ausstellung untersucht zudem, welche Rolle die Freiheit als rares und ungleich verteiltes Gut spielt – und wie sich die Freiheit sich fortzubewegen langfristig zum wesentlichen Faktor für die Ausbildung von Modernität, kolonialem Erbe und neoliberalem Kapitalismus entwickeln wird. Außerdem möchte African Mobilities die in Europa geführte Diskussion über die Mobilität in Afrika und die Beschäftigung mit der großen Zahl von Menschen aus Afrika, Asien und Osteuropa, die es in die Zentren des globalen Kapitals zieht, destabilisieren.
Städte sowohl in Afrika als auch in Europa erfahren eine bedeutende Neuausrichtung des städtischen Raums. Die Flüchtlingswelle aus Afrika und anderen Teilen der Welt sowie die Bildung neuer Überwachungsregimes und räumlicher Kontrolle stehen dieser Neuausrichtung entgegen. Sie gehen mit Diskursen über Repräsentationsmechanismen einher, die Afrikaner im/mobil vor Ort halten wollen. Auch afrikanische Städte stehen im Fokus von Spekulationen über Formen gegenwärtiger und zukünftiger politischer Umbrüche, Bevölkerungswachstum, neuer Architekturtypologien, Infrastrukturen und Technologien. Die Auseinandersetzung und der Einfallsreichtum, die einige dieser Umbrüche charakterisieren, stellen nicht nur die Souveränität von Staaten, die Regierungsmethoden und die staatliche Kontrolle auf die Probe, sondern fordern auch Formen heraus, die Städte in Afrika und andernorts annehmen werden. In afrikanischen Städten sehen wir sowohl die Machenschaften einer rücksichtslosen kapitalistischen Weltordnung als auch fragmentierte Institutionen und Methoden, die einer aufkommenden Kreativität weichen. Obwohl die Ergebnisse dieser Bestrebungen die unteren sozialen Schichten wohl kaum stärken, werden sie auch den derzeitigen Machthabern nicht direkt von Nutzen sein.
Die Untersuchungen für African Mobilities haben zu vorläufigen Karten der Macht und Sehnsucht geführt. Sie werfen eine Reihe von Fragen darüber auf, welche Geschichten Afrikaner erzählen wollen (da auch die Geschichte selbst ebenso umkämpft ist wie die Zukunft), wie wir sie erzählen und wie so viel von unserem »Wissen« über Städte und Architektur in Afrika von politischen Interessen bestimmt ist, die in hegemonialen kolonialen Diskursen verwurzelt sind. Als Gegenentwurf hegemonialer sozial-räumlicher Beziehungen und repräsentativer Methoden setzt diese Architekturausstellung bei der Entwicklung neuer, alternativer Methoden, Erkenntnisse und Themen an, mittels einer breiten Palette räumlicher Methoden im Dienste einer größeren emanzipatorischen Sozialagenda.
African Mobilities ist eine prozess- und zukunftsorientierte Ausstellung. Sie möchte dennoch dazu verleiten, einen Augenblick innezuhalten. Sie möchte einen Raum der Verzögerung darstellen und dazu einladen, sich mit ihren Themen auseinanderzusetzen: Wie gehen Denker in Bezug auf Afrika an zukünftige urbane Vorstellungswelten und architektonische Prototypen heran, die von einer in Bewegung befindlichen Welt initiiert wurden? Anstatt den Schwerpunkt alleine auf bewegte Körper zu legen, befassen wir uns ebenso mit intellektueller Mobilität – einer Verbreitung von Ideen über linguistische, territoriale und disziplinäre Grenzen hinweg. Zu diesem Zweck wurde die Ausstellung als physischer Raum, als Veranstaltung, als digitale Publikation und als mobile pädagogische Plattform konzipiert. Sie verlinkt Architekten und andere kreative Fachleute, Theoretiker und Wissenschaftler an 14 verschiedenen Standorten, darunter Johannesburg, Harare, Kampala, Addis Abeba, Luanda, Abidjan, Lagos, New York, Dakar, Nairobi, Lubumbashi, Praia und München. Gemeinsam hoffen wir, ein lebendiges Archiv zeitgenössischen afrikanischen Denkens einrichten zu können, das Alternativen anbietet, um eine neue städtische Realität zu schaffen.
Die Untersuchung, wie sich Afrikaner aus unterschiedlichen Orten selbst sehen und wie sie Spielräume verhandeln, bildete sich als Form eines kreativen Kartenwerks heraus, mit der sich Kultur als Archiv der Zukunft und für die Zukunft dokumentieren und generieren lässt.[i] Diese einleitenden Untersuchungen sind subversiv, dystopisch und hoffnungsvoll, und sie stellen die Vorstellung von dem Raum als Gefäß für soziale Prozesse infrage, indem sie die dynamische, fortwährende Schaffung von Raum in ein kreatives Gespräch über die Zukunft afrikanischer Städte überführen. Die verschiedenen Angebote stellen keinen Anspruch auf Vollständigkeit dar und sie wollen auch keine erschöpfende Darstellung aller Formen der Mobilität in Afrika bieten. Stattdessen untersuchen sie die vielfältigen Möglichkeiten, mit deren Hilfe Afrikaner sich ihren Platz in der Welt ergebnisoffen vorstellen, ihn analysieren und verhandeln – trotz der Grenzen, die unserer Mobilität gesetzt sind.
– Mpho Matsipa, Kuratorin
[i] Mhoze Chikowero, African Music, Power, and Being in Colonial Zimbabwe, Indiana University Press 2015, S. 7.